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Neue Studie Kriege töten drei Mal so viele Menschen wie gedacht

In den letzten 50 Jahren sind in Kriegen drei Mal so viel Menschen gestorben wie bislang angenommen. Das haben Wissenschaftler in einer neuen Studie belegen können. Ihre Zahlen widerlegen auch die Vorstellung vom "sauberen High-Tech-Krieg", der Zivilisten schone.

Im Krieg, so heißt es, stirbt die Wahrheit zuerst. Die Höhe der Kriegsopfer wird aufgrund politischer Motive oft entweder über- oder untertrieben - jüngstes Beispiel ist der Irak. Umso schwieriger ist es herauszufinden, wie viele Menschen in einem Krieg wirklich starben.

Bisherige Methoden zur Erfassung von Kriegstoten seien ungenau, sagen Ziad Obermeyer und seine Kollegen vom Institute for Health Metric and Evaluation in Seattle. Obermeyer und seine Kollegen haben nun eine neue Schätzung der Kriegsopfer vorgenommen, die auf Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO basiert. Sie meinen: In Kriegen der letzten 50 Jahre kamen drei Mal so viele Menschen ums Leben wie bislang angenommen. Ihre Studie haben sie in dem Fachmagazin "British Medical Journal" veröffentlicht.

Ungenauigkeiten in den bisherigen Methoden ergäben sich, so die Forscher, weil in Kriegszeiten zivile Registrierungsbehörden meist ihre Arbeit einstellen. Oft finden Kriege auch gerade in solchen Ländern statt, wo es auch schon in Friedenszeiten keine entsprechende behördliche Infrastruktur gab. Die Opferrate würde dann meist so ermittelt, dass statistische Erfassungen von Todesfällen in einigen wenigen Haushalten auf das ganze Land hochgerechnet würden - was große Ungenauigkeiten ergeben kann. Auch Abschätzungen, die auf Augenzeugen und Presseberichten beruhen, seien ungenau, denn die größten Opferzahlen gebe es meist in den gefährlichsten Gegenden, wo es keine Augenzeugen oder Reporter gibt.

Nun haben Obermeyer und seine Kollegen eine neue Methode entwickelt. Ihre Methode, so die Wissenschaftler, sei besser, weil sie unbeeinflusst von Kampfaktivität, Doppelzählungen und politisch motivierten Übertreibungen sei. Sie werteten Daten der WHO aus, die in den Jahren 2002 bis 2003 in einem Weltgesundheitsbericht  Haushalte in 45 Ländern über Todesfälle und deren Ursache befragt hatte. Pro Haushalt wurde zufällig eine Person ausgewählt, die berichten sollten, ob es in dem Zeitraum von 1955 bis 2002 Todesfälle unter ihren Geschwistern gegeben hatte und ob diese im Zusammenhang mit Kriegsereignissen gestanden hatten.

Zahl der Kriegstoten sinkt nicht

Von diesen 45 Ländern konzentrierten sich Obermeyer und seine Kollegen auf 13, in denen besonders viele Geschwister-Todesfälle auftraten - darunter befanden sich Länder wie Bangladesch, Bosnien, Vietnam und die Demokratische Republik Kongo.

Basierend auf den Daten schätzten Obermeyer und seine Kollegen, dass in diesen 13 Ländern insgesamt 5,4 Millionen Menschen zwischen 1955 und 2002 durch Kriege umkamen - von 7000 Opfern in der Demokratischen Republik Kongo bis zu 3,8 Millionen Kriegstoten in Vietnam. Ihre Schätzung der Kriegsopfer lag damit drei Mal höher als die aus vorangegangenen Untersuchungen. Die größten Abweichungen zwischen den Schätzungen fanden sich in Bangladesch und Zimbabwe.

Am wichtigsten jedoch sei, so die Forscher, dass ihre neuen Daten die vorherrschende Meinung nicht bestätigten, dass die Zahl der Kriegstodesopfer seit Mitte des 20. Jahrhunderts sinke. Vor allem in den jüngsten Kriegen, so glaubt man, seien relativ wenige Menschen umgekommen, weil technologische und strategische Innovationen die Zahl der zivilen Opfer minimiert habe. Diese Behauptungen müssten nun überprüft werden, fordern die Obermeyer und seine Kollegen.

lub

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