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Ausstellung "Krieg und Medizin" Der Konflikt zwischen Töten und Helfen

Vom Krimkrieg bis Afghanistan: Eine neue Sonderausstellung im Deutschen Hygiene-Museum Dresden zeigt die Zusammenhänge zwischen Krieg und Medizin. Es geht um Menschen in Extremsituationen - als Patienten und als Helfer.

Dresden - Es sieht aus wie eine Mischung aus Wärmepflaster und Handy und kann unter Umständen Leben retten. Haben sich Soldaten das kleine Ding vor dem Kampfeinsatz an die Brust geklebt, können sich die Helfer im Notfall noch vor Erreichen des Verwundeten über lebenswichtige Daten wie Puls, Atmung und Körpertemperatur informieren: Die Informationen werden per Funk an das Sanitätspersonal hinter der Front gesendet.

Der Prototyp eines solchen "physiologischen Überwachungspflasters" ist in der neuen Sonderausstellung "Krieg und Medizin"  des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden zu sehen, die am Samstag fürs Publikum öffnet. Darin geht es aber nicht um eine Huldigung medizinisch-technischer Spitzenleistungen oder einen Abriss der Militärmedizin. Vielmehr soll das spannungsvolle Wechselverhältnis gezeigt werden, in dem sich Krieg und Medizin bis heute befinden.

"Es geht um ethische Fragen", sagt Kuratorin Colleen Schmitz. "Und es geht darum, die Natur des Menschen zu ergründen." In der Ausstellung kommt eine gewisse Janusköpfigkeit zur Sprache, wie es die Ausstellungsmacherin formuliert. Einerseits die Fähigkeit des Menschen, auf grausame Weise zu töten, Leid und Elend anzurichten. Auf der anderen Seite das Selbstverständnis der Mediziner und Retter, zu helfen und zu heilen. "Da gibt es auch Menschen, die ihr Leben riskieren, da gibt es auch Güte", sagt sie.

Es sind keine einfachen Fragen, die hier aufgeworfen werden: In welchen Zwängen steckt eine Medizin, die Leben rettet und Leiden lindert und die zugleich zu einem maßgeblichen Bestandteil des militärischen Apparats geworden ist? Die dafür sorgt, dass die Kämpfer nach erfolgreicher Operation wieder in den Krieg ziehen können? Wie erleben Ärzte und Krankenschwestern, aber auch Soldaten und Zivilisten diesen Konflikt?

"Es hört einfach nicht auf"

Die Ausstellung, ein Gemeinschaftsprojekt der Londoner Wellcome Collection und des Deutschen Hygienemuseums, hat keine schnellen Antworten parat. Sie lässt per Video Betroffene zu Wort kommen, die bei Kriegseinsätzen verwundet und traumatisiert wurden. Oder Sanitäter, die in Kriegsgebieten tätig waren, von psychischem Druck und nicht enden wollenden Leiden berichten: "Es hört einfach nicht auf", sagt ein müde wirkender Helfer. Es sind bedrückende und verstörende Aufnahmen von Verwundeten von verschiedenen Brennpunkten der Erde zu sehen.

Vor einigen Tagen hatte bereits das Nationale Medizinmuseum in Washington sein riesiges Fotoarchiv geöffnet, das ebenfalls Bilder vom Alltag und den Schrecken des Krieges zeigt (siehe Fotostrecke unten). "Krieg bedeutet Leid und Zerstörung", sagt Schmitz. "Wir scheuen uns nicht davor, das zu zeigen, da wir sonst etwas verfälschen würden." Unter den vielen Exponaten sind militärärztliche Bestecke, eine Luftschutz-Hausapotheke, aber auch Kunstwerke wie "Musterung" von Max Beckmann. Erinnert wird an die Kriegsschauplätze des frühen 19. Jahrhunderts, als Zigtausende verwundete Soldaten auf den Schlachtfeldern ums Leben kamen, weil es so gut wie keine medizinische Versorgung gab.

Dann setzte jedoch eine medizinische Aufrüstung ein - sowohl aus humanitären Gründen als auch aus kühler militärstrategischer Berechnung. Erinnert wird auch an die perversen Menschenexperimente während des Zweiten Weltkriegs - als deutsche Ärzte etwa im Konzentrationslager Dachau Häftlinge in eiskaltes Wasser zwangen und anschließend den Todeskampf protokollierten. Erklärtes Ziel der Mörder war es, die Überlebenschancen abgeschossener und ins Meer gestürzter Piloten der Luftwaffe zu erhöhen.

In Dresden wird ein zeitlicher Bogen gespannt von den Anfängen eines eng mit dem Militär verbundenen Sanitätswesens, vom katastrophalen Krimkrieg über den Zweiten Weltkrieg bis zu den aktuellen Konflikten in Afghanistan oder im Irak. Auch in Deutschland und anderen Industrienationen ist das Thema wegen der Auslandseinsätze hochaktuell. Beklemmender Prolog der Ausstellung sind Aufnahmen aus dem abgedunkelten Bauch einer britischen Militärmaschine, aus einem durch die Nacht fliegenden Operationssaal.

Lars Rischke, AP

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