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Quelle: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,682840,00.html
Guttenberg unter Druck
Meister der Pirouetten
Von Matthias Gebauer und Veit Medick
Berlin - Karl Theodor zu Guttenberg ist ein Meister der schnellen Wenden. Das Kunduz-Bombardement auf zwei Tanklaster hielt der Verteidigungsminister erst für "militärisch angemessen", einige Wochen später dann für das Gegenteil. Gespräche mit moderaten Taliban in Afghanistan lehnte er einst strikt ab, kürzlich brachte er sie selbst ins Gespräch.
Lauscht man dem Minister, scheinen die 180-Grad-Drehungen völlig normal. Wenn sich die Realität ändert, so sein eloquent vorgebrachtes Credo, kann auch ein Politiker mal seine Meinung variieren.
Am Dienstag überraschte der CSU-Politiker abermals mit einer seiner typischen Pirouetten: Die harsche Kritik an zwei Spitzenbeamten, die er im Zuge der Aufklärung des Kunduz-Luftangriffs feuerte, weil sie ihm wichtige Berichte vorenthalten hätten, schwächte er plötzlich deutlich ab. Und wieder galt das Prinzip Guttenberg: Niemals habe er den Eindruck gehabt, dass der geschasste Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und sein Staatssekretär Peter Wichert "vorsätzlich oder böswillig gehandelt" hätten, erklärte der Minister ziemlich überraschend.
Die Opposition im Bundestag sieht hinter Guttenbergs freundlichen Worten ein eindeutiges Kalkül: Selbstschutz. Guttenberg versuche, durch "feiges Abrücken von alten Torheiten den Kopf nochmals aus der Schlinge zu ziehen", so Grünen-Chefin Claudia Roth. Die Glaubwürdigkeit des Ministers sei aufgrund der fehlenden Aufklärung "ein für alle mal beschädigt".
Wichtige Sitzung des Untersuchungsausschusses
Der Grund für ihren schweren Vorwurf: Schon am Donnerstag der kommenden Woche rücken die beiden entlassenen Beamten vor dem Untersuchungsausschuss über die Kunduz-Affäre an, ab 14 Uhr geben sie dem Gremium Auskunft, wie sie ihren letzten Arbeitstag am 25. November 2009 erlebten - und das in öffentlicher Sitzung. Fest steht bisher nur, dass Guttenberg ihnen am späten Nachmittag des Tages den Rückzug empfahl und beide sich fügten.
Über die Stunden zuvor aber gibt es verschiedene Versionen. Guttenbergs Umfeld verbreitete nach der Kündigung der beiden sehr detailliert, sie hätten die Existenz weiterer Berichte auch gegenüber dem Minister stur geleugnet. Dreimal, so die Guttenberg-Version, will er nachgefragt haben. Dann feuerte er sie. Die beiden Spitzenbeamten hingegen erinnern sich ganz anders, Schneiderhan warf Guttenberg sogar öffentlich vor, er sage die Unwahrheit.
Die jetzigen warmen Worte einschließlich einer Würdigung ihrer Leistungen sollen aus Sicht von Guttenberg vor der Vernehmung der beiden Beamten die Wogen glätten. Das hört sich logisch an, wird jedoch von der Opposition aufs Schärfste kritisiert.
Auch Roths Fraktionskollege Frithjof Schmidt ist erbost. "Das weckt begründete Zweifel an der Seriosität seiner Entscheidungen im Allgemeinen", sagte er SPIEGEL ONLINE. Die SPD sieht im aktuellen Vorgehen sogar ein Prinzip des smarten Ministers. "Für mich hat sich Guttenbergs Grundprinzip bestätigt: Er redet schnell und schneidig, ohne seine Sätze durchdacht zu haben", so Verteidigungsexperte Rainer Arnold.
Kühle Kündigung könnte für Guttenberg zur Belastung werden
Beobachter werfen ihm schon länger vor, wichtige Aussagen nicht gut genug zu überdenken. Die "Süddeutsche Zeitung" stellt dem CSU-Mann ein düsteres Zeugnis aus: "Ein unerfahrener Minister hat einen falsch urteilenden General zunächst ohne Nachdenken gestützt und dann überhastet gestürzt", schreibt Kommentator Kurt Kister trocken. Auch für seine eigene Truppe ist die Causa wichtig. Zwar hat Guttenberg den in der Kritik stehenden Oberst Klein trotz der vielen Fehler bei der Anordnung des Bombenangriffs stets in Schutz genommen. Seine beiden höchsten Beamten hingegen ließ er fallen wie heiße Kartoffeln. Diese kühle Kündigung, von vielen in der Bundeswehr als taktisches Manöver bewertet, könnte zur echten Belastung werden, wenn auch bei der Bundeswehr der Eindruck aufkommt, der Minister stehe nicht zu seinen Entscheidungen oder sei nicht aufrichtig.
Ob sich Guttenberg mit seinem Manöver des Weichspülens von vorher getroffenen Aussagen aus der Bredouille manövrieren kann, ist kaum abzusehen. Zwar dürften die Worte den beiden einstigen Beamten gut getan und sie womöglich milder gestimmt haben als die Krawall-Kritik zuvor. Gleichwohl dürften die beiden bei ihrer Version bleiben, allein schon aus Stolz.
Guttenberg selber wird dann am 22. April zum Fall aussagen müssen, ebenfalls in öffentlicher Sitzung.