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Offizier im Einsatz
Das Bild des Offiziers im 21. Jahrhundert
Gedanken nach einem Einsatz
Im OP North gibt es kein Offizierscasino, kein gemeinsames Mittagessen der Offiziere, keine herausgehobene Behandlung. Es gibt nur Ansprüche, Forderungen und den Wunsch nach Führung.
Unter den Soldaten leben
24 Stunden, 7 Tage die Woche, über einen Zeitraum von 6 Monaten. Es gibt keine Geheimnisse mehr. Schwächen, negative Charakterzüge, Ängste, all dies wird offen sichtbar, für jeden Soldaten der Einheit. Es gibt keine Tür, die man schließen kann um in Ruhe über Dinge nachzudenken, es gibt keine Übungsunterbrechung, der Feind lässt keinen Ordnungshalt zu.
Im Einsatz zeigt sich ob man den Charakter eines Offiziers besitzt oder nicht.
Entscheidungen haben unmittelbare Auswirkungen. Es kommt kein Schiedsrichter,, der Soldaten wieder aktiviert. Wer einmal den Ruf nach dem Sanitäter gehört hat, der vergisst ihn niemals wieder.
Man wird beobachtet. Jeder Gesichtszug, jeder Blick, jede Stimmungsschwankung wird von den Männern und Frauen wahrgenommen. Jede Entscheidung, jede Handlung hat Einfluss auf ihr Vertrauen auf den Offizier.
Der Druck ist immens. Jeder im Einsatz ist Feldherr, jeder macht sich Gedanken, jeder meint es besser zu können. Einzig die Verantwortung liegt beim Offizier. Ist er erfolgreich, war es die Arbeit von allen---geht etwas schief, war es alleine seine Entscheidung.
Diese Entscheidungen sind einsam. Das ist die Kehrseite der Auftragstaktik. Nichts, wirklich nichts, verläuft je nach Plan.
Der Einsatz ist die Königsklasse. Wer seinen Charakter noch nicht kennt, der lernt ihn hier kennen---und nicht nur man selbst wird ihn kennenlernen, sondern vor allem die Männer und Frauen um einen herum.
Tapferkeit
Das Gefecht. Unwirklich. Zu ruhig. Nicht wie im Film. Kein Stalingrad, kein Mogadischu. Stunden vergehen wie Minuten. Es funktioniert. Unsere Ausbildung ist gut.
Doch keine Situation ist so fordernd und keine Situation zeigt so deutlich, wer Tapferkeit besitzt und wer nicht. Tapferkeit heißt nicht übertriebene Opferbereitschaft. Doch Tapferkeit heißt auch seine Soldaten im Gefecht zu führen. Sie müssen wissen, dass der Offizier bei ihnen ist und das er alle seine Befehle auch selber durchführen würde. ´Führen von Vorne´ wird hierbei tödlicher Ernst. Nur Dummköpfe fordern,, dass der Offizier der vorderste Soldat ist. Aber der Offizier läuft unter Feindfeuer seine Stellungen ab, macht sich ein Bild der Lage.
Man denkt nicht darüber nach. Man macht es. Wer sich erst dazu überwinden muss, der ist hier falsch. Nicht jeder besitzt diese Tapferkeit. Ein Soldat, der später deswegen zittert nimmt man in den Arm und gibt ihm eine weitere Chance… einen Führer muss man ersetzen. Wer im Gefecht als Führer gezögert hat, der wird nie wieder von seinen Soldaten akzeptiert.
Falsch macht man sowieso einiges. Hat man dem Feind nachgesetzt war man leichtfertig, ist man ausgewichen, war man nicht aggressiv genug. Es gibt nur eines das hilft: In den Spiegel schauen. Dort findet man die Antwort auf die Frage: Hast du richtig gehandelt?
Auslese
Aus dem Umgang mit der täglichen Belastung und dem Verhalten im Gefecht müssen Schlüsse gezogen werden. Nicht jeder, der in der Heimat ein guter Soldat ist, ist dies auch im Einsatz. Doch wir sind eine Einsatzarmee. Obwohl dieser Begriff unnatürlich ist. Eine Armee ist dazu da um eingesetzt zu werden. Alles andere ist eine Showtruppe.
Schwächen dürfen nicht kaschiert werden, es geht um Menschenleben. Eine Armee ist das letzte Mittel, das zur Verfügung steht. Ist sie eingesetzt, sind alle anderen Mitteln gescheitert, scheitert die Armee, ist alles verloren.
Es muss am Ende gesagt werden dürfen: Er kann es oder er kann es nicht. Und kann er es nicht, ist er kein schlechter Mensch aber ein schlechter Soldat und muss Platz machen für andere.
Ich bin mir der Härte dieser Worte nun bewusst: Gut ist nicht unbedingt der, der alle seine Soldaten immer heil nach Hause bringt. Gut ist der, der seinen Auftrag erfüllt hat. Manchmal geht dies nicht ohne Kosten. Das ist die Härte unseres Jobs, das ist das verdammte Damoklesschwert über uns, das ist die größte Herausforderung für den Offizier. Das Abwägen der Kosten.
Was bleibt
Was bleibt ist die Erkenntnis, dass der Offizier des 21. Jahrhunderts sich nicht im Offiziercasino auszeichnet, sondern im Dreck bei seinen Männern, in den Zeltstädten der Feldlager und im direkten Umgang mit seinen Soldaten. Jedem, der sich vorher verstellt hat, wird hier durch die unbarmherzige Realität die Maske heruntergerissen.
Es bleibt die Erkenntnis, dass es Menschen gibt, die all dem gewachsen sind und Menschen, die es nun einmal nicht sind. Jeder zeigt Momente der Schwäche, dies ist nicht die Frage, aber der Charakter entscheidet letztlich wie wir damit umgehen.
Darum müssen wir beginnen, diesen Charakter zu bilden. Und dies ist wahrlich schwerer als bloße Ausbildungsinhalte zu vermitteln.
Aber auch ein Schwert wird im Feuer geschmiedet!
OLt Sebastian Hagen