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Notstandsrecht und Güterabwägung

Die Sicherheitsorgane eines Staates sind dadurch gekennzeichnet, dass ihre Verwendung auf den Notstandsfall hin ausgerichtet ist. Nicht der gesetzmäßige Normalzustand, sondern das Fehlen des rechtsstaatlich gewollten Zustandes beschreibt das Umfeld ihres Einsatzes.

Innerhalb der exekutiven Aufgabenverteilung haben die Streitkräfte den Auftrag, die für den Staat insgesamt, sein Territorium, seine Bürger und seine Staatsgewalt existenzbedrohenden Gefahren abzuwehren. Ihre Zweckbestimmung liegt dort, wo andere Mittel staatlichen Zwanges zur Gefahrenabwehr nicht ausgereicht haben. Die Anwendung militärischer Gewalt bedeutet deshalb systemgemäß, dass nunmehr Mittel tödlicher Gewalt zum Einsatz kommen.

Das Notstandsrecht geht von dem Grundsatz aus, dass zur Herstellung von Sicherheit und Ordnung immer dort Rechtsgüter verletzt werden müssen und dürfen, wo absolute Werte mit anderen Mitteln nicht geschützt werden können. Das Recht muss und darf dem Unrecht nicht weichen! Der rechtswidrige Angreifer verliert stets sein Recht. Und generell gilt: Der Schutz höherer Werte rechtfertigt die Verletzung von niedrigeren. So im klassischen Fall eines Helfers, der das Fahrzeugfenster einschlägt, um den vom Hitzetod bedrohten Hund zu retten. Genau diese Güterabwägung macht die Tragik jedes Handelns bei Notständen aus.

Dies um so mehr, wenn nicht „Jedermann“, sondern der dem Schutz der Grundrechte aller Bürger verpflichtete Staat mit seinen an den Rechtsstaat durch einen Eid gebundenen Organen gezwungen ist, die Entscheidung darüber zu treffen hat, welche Rechtsgüter welchen höheren Werten weichen müssen. Und dies in einem Spannungsfeld, das immerwährend von Politik und Öffentlicher Meinung beeinflusst wird. Deshalb bleibt zwingendes Kennzeichen funktionierender staatlicher Aufgabenwahrnehmung das Vorhandensein einer Hierarchie von Entscheidungsträgern, die eine Legitimationskette bis hin zum Gesetzgeber und damit in Demokratien schlussendlich wieder bis auf den Souverän, das Volk, zurück erzeugt.

Der Rechtsstaat verlangt deshalb als wesentliches Prinzip des Ordnungsrechts, daß stets ein Wille der übergeordneten Führung vorhanden sein muß. Es ist hoheitliche Gewalt, und eben nicht Eigenmacht, wenn Staatsorgane vor Ort Zwangsmaßnahmen vornehmen.