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Die Diskussion um den Offizier mit akademischer Bildung erscheint paradox:
Die Laufbahn der Offiziere ist an die des gehobenen Dienstes der Bundesbeamten angelehnt, welche regelmäßig das Ablegen einer Staatsprüfung an einer Fachhochschule voraussetzt.
Der Umstand, dass die Beförderung zum Leutnant nach dem erfolgreichen Abschluss des jeweiligen Laufbahnlehrganges an einer Offizierschule erfolgt, ohne dass eine weitere Ausbildung zwingend erforderlich wäre, macht deutlich, dass die "akademische Grundausbildung" des Offiziers damit laufbahnrechtlich als abgeschlossen gilt.
Dennoch wird das Studium derzeit als das prägende Merkmal dargestellt, welches den Offizier im wesentlichen ausmacht.
In der offiziellen Werbung der Bundeswehr findet der Offizier ohne Studium nicht statt (allerdings sein späteres Berufsfeld mit wenigen Ausnahmen auch nicht...).
Dies wirft einige - bislang tabu-behaftete - Fragen auf:
Sind die sogenannten "Nicht-Studierten" schlechtere Offiziere?
Ist das Studium nur für den späteren Übergang ins Zivilleben nützlich?
Warum nutzt der Dienstherr die Fachkenntnisse seiner studierten Offiziere nicht bei seinen Verwendungsentscheidungen?
Darf das bezahlte Studium der einzige Motivationsgrund sein, um Offizier zu werden?
(wie oft unterstellt wird)
Ist das Studium im Ausbildungskonzept der Offiziere zeitlich richtig platziert?
Wäre es nicht günstiger/effektiver, die akademische Ausbildung der Offiziere in Gänze zu privatisieren oder entsprechend dem Studium der Ärzte freizugeben?
Könnten die Offizierschulen nicht zu Akademien "aufgebohrt" werden, an denen eine geisteswissenschaftliche Ausbildung auf Fachhochschulniveau leicht zu leisten wäre?
(Geschichte, Recht und Politik werden dort bereits fachkundig gelehrt....)
Warum versagt der Dienstherr seiner eigentlichen Offizierausbildung die zivilberufliche Anerkennung?
(z.B. ein Äquivalent zum DiplVerw/OrgWirt - verbunden mit dem Offizierpatent)
Die Unterschiede in den Ausbildungsgängen der Offiziere bei Heer, Marine und Luftwaffe bis zum Studium sind mit der Angleichung der Vorausbildungszeit nahezu marginalisiert. Theorie prägt nunmehr das berufliche Selbstverständnis der Masse der Offiziere.
In dem bis 2007 gültigen Ausbildungsmodell des Heers hatten die Offizieranwärter Truppendienst ihre Ausbildung zum Offizier abgeschlossen, bevor sie an die Universität kamen, büßten jedoch im Verlauf des vierjährigen Studium ihre Fachkenntnisse aus der Zugführerausbildung weitgehend wieder ein.
Der Verlust bereits erworbener und für die weitere militärische Laufbahn wichtiger Kenntnisse war für diese Soldaten besonders schmerzhaft. Und auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht wenig sinnvoll.
Die beschlossene Neuausrichtung der Offizierausbildung im Heer bedeutet demgegenüber im Klartext, die Trennung des Offizierstatus´ von der Befähigung zum Zugführer.
Ob die studierten Offiziere der Zukunft den praktischen Anforderungen als Truppenführer im Einsatz genügen werden, wird sich zeigen müssen. Zu befürchten steht jetzt schon, dass die Bindung der Akademiker zu ihrem eigentlichen Berufsbild Soldat im Ernstfall des Kampfeinsatzes vielleicht nicht stark genug sein wird....
Irgendwann muß der "militärische Führer" jedenfalls bei den Landstreitkräften erzeugt werden!
Ob eine diesbezügliche Prägung, die ja auch eine große Begeisterung für den Offizierberuf erfordert, bei dem dann Mitte-zwanzigjährigen Diplomingenieur noch erreicht werden kann, muß bezweifelt werden.
Im Studium selbst wird dies mit Sicherheit nicht gelingen.
Denn die Universitäten der "Bundeswehr" scheinen mit dem "Militärischen" ein Problem zu haben.
Es mutet fast wie ein planvolles Wirken an, daß in Neubiberg mit Vorzug Lehrstühle mit militärischem Hintergrund (Militärgeschichte oder Sicherheitspolitik) abgebaut worden sind und die Universität ihr Selbstverständnis zumindest unterschwellig ein Problem damit hat, "für die Bundeswehr" auszubilden, wie nachfolgender Auszug aus der Online-Ausgabe der Wochenzeitschrift "Der Spiegel" vom 27. November 2002 verdeutlicht:
Kameradschaft heißt jetzt Teamgeist Kadettenanstalt, Kaderschmiede, Kommissköppe? Über die Bundeswehr-Uni kursieren reichlich Vorurteile. Sie ist eine akademische Insel, eine entmilitarisierte Zone in der Bundeswehr ... Es ist schon etwas Besonderes, an einer Universität der Bundeswehr zu lernen - und zu lehren. Als der Pädagogik-Professor Alfred Hoffmann vor gut 20 Jahren in Neubiberg antrat, habe er im Bekanntenkreis Aufklärungsarbeit leisten müssen, dass er keineswegs an einer Kadettenanstalt beschäftigt sei, erzählt Hoffmann: "Ich bin auf viel Skepsis gestoßen." Beim Uni-Präsidenten Hans Georg Lößl war es drastischer. Einige Freunde, die dem linksliberalen Lager zuzuordnen seien, hätten sich von ihm abgewandt, als er kundtat, dass er von nun an seine Akademikerkarriere bei der Bundeswehr fortsetzen werde. ...Professor Lößl weiß, dass seine Hochschule einer speziellen öffentlichen Bewertung unterzogen wird: "Die Uni ist die Öffnung zur zivilen Außenwelt." Auf dem Campus ist der Präsident der Chef, in diesem Fall als Kasernenkommandant. Einen militärischen Rang aber hat Lößl nicht. "Man kann hier als Professor lehren, auch wenn man Zweifel an der Bundeswehr hat", sagt er. Wenn man so will, ist die Hochschule die entmilitarisierte Zone der Bundeswehr, eine akademische Insel. ...Damit die Inhalte begrifflich ebenfalls dem Zeitgeist entsprechen, heißt Kameradschaft jetzt auch bei der Bundeswehr Teamgeist. Und Oberstleutnant Norbert Hörpel, einst BWL-Absolvent in Neubiberg und heute Pressesprecher, sagt: "Der typische Kommisskopp wird bei der Bundeswehr keine Zukunft haben." Zumindest in Neubiberg nicht. |
Die Qualität der akademischen Ausbildung an den Universitäten der Bundeswehr ist unbestritten hoch.
Die damit verbundenen enormen Kosten für den Verteidigungshaushalt allerdings auch.
Die Frage nach dem Sinn einer Bundeswehruniversität stellt sich insbesondere dann, wenn die Universitäten der Bundeswehr sich völlig zivil und zuweilen krampfhaft unmilitärisch geben wollen...
Wie lange wir uns noch erlauben können, Offiziere ausscheiden zu lassen, nur weil sie das Studium nicht bestanden haben, wird die Bewerber- und Finanzlage zeigen.
Nota bene wird ja auch niemand behaupten, daß der Ausbildungsertrag eines mehrjährigen Studiums allein am Prüfungserfolg zu messen wäre - wie auch die besten Studenten nicht immer die besten Offiziere ausmachen müssen...
Das Fazit ist klar:
Der Offizier zeichnet sich durch seine Fähigkeit aus, komplexe Zusammenhänge rasch zu erkennen, die Denkweisen verschiedener Hierarchieebenen verstehen und weit vorausschauend planen und organisieren zu können.
Das ist der Sinn jeder akademischen und insbesondere der universitären Ausbildung, die das "studium generale", also das "Denken über den eigenen Tellerrand hinaus" zum Prinzip macht.
Deshalb ist eine akademische Ausbildung - in welcher Form auch immer - für den Offizier generell anzustreben!
Ob die derzeitige Form der Offizierausbildung mit Studium, die vorrangig auf die Zeit "nach der Bundeswehr" ausgerichtet zu sein scheint, den Anforderungen an die moderne Armee noch gerecht wird, muss hinterfragt werden.
Vielleicht lohnt ein Blick "über den Teich", wo man mit einem Mix aus Absolventen der Militärakademie, Führern mit zivilem Studium oder mit Truppenausbildung den verschiedenen Anforderungen an die Offizierverwendungen flexibler gerecht zu werden versucht.
Die neue Struktur der Bundeswehr und das Aufwachsen der Streitkräftebasis geben Anlaß, über das Studium unserer Offiziere von Grund auf neu nachzudenken!