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Im Jahr 2014 wolle die Bundeswehr abziehen, hat die Kanzlerin erklärt. Die Bundeswehr hat das rote Kreuz von ihrem Sanitätsfahrzeug abmontiert, weil es immer als Erstes beschossen wird, und in den Nächten tasten sich die Soldaten mit Taschenlampen durch das stockfinstere Lager; die Fenster ihrer Zelte haben sie abgeklebt – kein Lichtstrahl darf dem Feind den Weg weisen. Der Mann vom Auswärtigen Amt kontrolliert seine Bauprojekte, indem er sich von Einheimischen Polaroidfotos bringen lässt. Jeder vierte afghanische Polizist wird in seinem ersten Dienstjahr ermordet. Die Deutschen trauen sich nur noch nach Kundus-Stadt. Der Rest: Indianerland.
Als Kommandeur Rohrschneider vor wenigen Monaten am Kundus-Fluss das Bauschild einer neuen Brücke aufstellen ließ, umringte ihn ein Wall aus Panzern. 60 Mann sicherten die Ufer. Es gibt feierliche Bilder von dieser Szene, der Gouverneur war da und lokale Würdenträger. Es sind optimistische Bilder, Bilder ohne Panzer. Doch weil gleich am nächsten Tag der Beschuss anfing, ist danach kein Stein gesetzt worden.
Der Besucher, auf den Kai Rohrschneider wartet, ist Mitte 50, trägt einen ungepflegten Bart und hat eine Vorliebe für Whisky. Er kann nicht lesen und nicht schreiben, aber das Handwerk des Krieges beherrscht er wie kein anderer. 300 Mann hat Mir Allam, der Warlord, inzwischen unter Waffen. Er hat bereits begonnen, in einigen Dörfern Ruhe zu schaffen. Doch seine Milizen, heißt es, würden unruhig. Die Deutschen verhandeln nur über Bauaufträge, sie wollen kein Geld geben und keine Macht. Mir Allam aber will noch immer Polizeichef werden, ein Mann, den sie »den Schlächter von Kundus« nannten.
Den letzten Termin im Feldlager der Deutschen ließ Mir Allam kurz vorher platzen. Er hat Grund, sich ihnen überlegen zu fühlen. Er ist so etwas wie die letzte Hoffnung der Bundeswehr: ein Kriegsverbrecher mit einem Leberproblem und vier Frauen.